Geld ist geil

Luzerner Zeitung, Piazza, Kultur & Leben, 18. Juli 2017

Geld. Von ungekrönten Königinnen, Gratisspielen, die Milliarden in die Kassen spülen, und Gänsen, die mit Hilfe der Münzgöttin Rom retten: Kurioses und Interessantes rund ums Geld.

Die beliebteste von allen ist die 1000-Franken-Note. Sie ist die grösste und die verlässlichste. Rund 42 Millionen Scheine sind im Umlauf, ein Grossteil wohl in Banktresoren. Denn nur die 10 000-Dollar-Note des Sultanats Brunei und die – seit 2014 nicht mehr ausgegebene – 10 000-Dollar-Note aus Singapur sind noch wertvoller. Darum ist der 1000-Fränkler der Liebling aller Schmuggler und sonstigen Bargeld-Liebhaber. Grosse Noten bedeuten weniger Gewicht: 10 Millionen Dollar wiegen in 1000-Franken-Noten kaum zwölf Kilo und passen bequem in einen Durchschnittskoffer in 500-Euro-Scheinen würde das zwanzig Kilo wiegen und zwei Koffer benötigen. Der Frankenschein kann einem Geldschmuggler Nerven und Muskeln sparen, und beides braucht er beim Schmuggeln dringend.

Thomas Weibels kleines Büchlein «Bare Münze» richtet sich aber nicht nur an Schmuggler oder Freunde abseitigen Wissens, sondern versammelt Geschichten ums Geld, um Münzen oder Noten, Währungen und Mechanismen, die damit zusammenhängen. Sicher, Geld ist beliebt und begehrt, darum werden Kriege geführt, dafür Freundschaften aufs Spiel gesetzt und Leben riskiert. Doch dem Wirtschaftsjournalisten Weibel, der heute auch an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur lehrt, geht es nicht um Gier oder Ehrgeiz oder was Geld mit den Menschen macht.

Sicherheitsstreifen und Spezialdrucke

«Seit ich über Geld schreibe, hat sich mein Verhältnis zum Geld als Wert nicht geändert», sagt er. «Aber Banknoten, die ich im Supermarkt bekomme, die schaue ich mir jetzt immer genau an.» So beschreibt er etwa, welche Sicherheitsmerkmale die Schweizer Banknoten aufweisen: der dreidimensional scheinende Globus, der sich von Zehner- bis Tausendernote einmal um die eigene Achse dreht, Sicherheitsstreifen und Spezialdrucke, Bilder, die nur bei Infrarotlicht erscheinen, Druckfarben, die auf normalem Papier Spuren hinterlassen, und Symbole, Sicherheitsfäden, Lochungen und Mikrotexte.

Wissen dieser Art schreibt Weibel für den Finanzblog der LGT-Bank und übernimmt sie auf seine eigene Webseite. «Am Anfang stand die Freude daran, dass die Wurzel vieler Dinge, die wir heute als neu bestaunen, weiter zurückreicht als vermutet», erzählt Weibel. «Und der Wunsch, für den Wirtschaftsteil der Zeitung eine Sprache zu finden, die nicht nur Kenner und Insider verstehen.» 49 dieser Blogbeiträge sind jetzt im Buch «Bare Münze» versammelt, das den Untertitel trägt «Gallier und heilige Gänse: Was es über Geld zu wissen gibt».

Die Gallier und die Gänse

Die Gallier und die Gänse hängen mit der römischen Göttin Juno Moneta zusammen, deren Name ursprünglich Mahnerin oder Warnerin bedeutete, weil sie mit ihren heiligen Tieren, den Gänsen, den Fall Roms verhindern konnte. Die Rettung kostete die Römer immerhin 1000 Pfund Gold, auch damals schon eine stolze Summe. Aber ihre Stadt war gerettet, das war die Sache wert. Als der Juno-Tempel auf dem Kapitol durch einen Neubau ersetzt wurde, errichtete man dort eine Münzanstalt und prägte auf die Münzen Junos Porträt und ihren Namen, Juno Moneta. Juno war fortan nicht mehr nur die Göttin mit den Gänsen, sondern auch die Schirmherrin über die Münzerei.

Nur selten geht es so tierisch zu, wenn Weibel erzählt. Vielmehr steckt oft auch hartes Geschäft dahinter, etwa wenn Charles Dow mit seinem Kollegen Edward Jones den Dow Jones Index einführt. Oder wenn der Lebensmittel- und Spielehersteller General Mills die Rechte an Monopoly durchsetzen will, die er von Erfinder Charles Darrow erworben hat – und vor Gericht düpiert feststellen muss, dass Monopoly selbst eine Kopie war einer Version, die als antikapitalistisches Spiel erdacht und patentiert worden war.

Und natürlich ist auch die Geschichte des Geldes jene kluger oder weniger kluger Menschen: Etwa David Bowie, der sich die Rechte an seinen Songs mit «David- Bowie-Bonds» zurückkaufte und damit dem Trend der «Asset- Back-Securities» folgte. Wertpapieren also, die durch künftige Erträge abgesichert werden. Oder George Soros, der mit dem richtigen Riecher für die Reaktionen der Märkte «die Bank of England sprengte», wie Weibel es in der Kapitelüberschrift formuliert. Auch verblüffende Anekdoten gibt es, wie die, dass das Geld der Schweizer aus dem Ausland stammt: Der Franken ein Franzose, der Rappen ein Süddeutscher.

Gratis nur auf den ersten Blick

Interessant der Blick auf die sogenannte Gratiskultur des Internets – die nur auf den ersten Blick eine solche ist. So kann etwa die App des Computerspiels Candy Crush kostenlos geladen werden – doch sind die höheren Spielelevels nicht mehr lösbar ohne «optionale Spielgegenstände», wie der Betreiber King Entertainment das nennt. King verdiente damit allein in den USA zeitweise täglich 600 000 Dollar ein und erwirtschaftete 2015 einen Umsatz von zwei Milliarden Dollar. Das war zu viel: Ende 2015 kaufte der Computerspielgigant Activision King Entertainment auf, Verkaufssumme: 5,9 Milliarden Dollar.

Ein langer Weg von den Problemen des Tauschhandels – wie viele Kaninchen kostet eine Ziegenhaut? – zu den Entwicklungen des 21. Jahrhunderts. Da wird das Ende des Bargeldes vorausgesehen und mit Bitcoins bezahlt: Geld, das man nur als Code besitzt, nur mühsam und mit grossem technischen Wissen im Internet kaufen oder noch komplizierter selbst herstellen kann; ein Prozess, der sich «mining», schürfen, nennt – und der doch mit dieser dreckigen, handwerklichen Tätigkeit so wenig zu tun hat wie – ja, was? Wie die 1000-Franken-Note mit den heiligen Gänsen der Göttin Juno.

Thomas Weibel: Bare Münze. Gallier und heilige Gänse: Was es über Geld zu wissen gibt. Verlag Johannes Petri 2017, 132 Seiten, Fr. 24.-.

 

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Der Sen-Index

Bei all den Geldgeschichten: Was ist mit denen, die es nicht haben? Das erforscht der Wirtschaftswissenschafter Amartya Sen. Der Inder erlebte in seiner Heimat brutale, aus der Armut resultierende Gewalt und begann, die Zusammenhänge zwischen sozialen Chancen und ökonomischer und politischer Freiheit zu untersuchen. Bald stellte er fest, dass nicht ungerechte Verteilung von Gütern, sondern vor allem auch Mangel an Möglich- und Fähigkeiten den Zustand der Armut zementiert. Der Sen-Index, ein Ungleichheitsmass, wurde nach ihm benannt. Ebenso geht das Einrichten des Index der menschlichen Entwicklung auf seinen Vorschlag zurück, den das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen seit 1990 regelmässig aktualisiert herausgibt. (vhe)